Genießen lässt sich lernen

11.12.2023

Papiervogel in mehreren Entwicklungsstufen

Frage: Tönen, Klängen und Musik wird oft eine bedeutende Wirkung auf das Wohlbefinden zugeschrieben. Lässt sich dieser Genuss-Effekt gezielt nutzbar machen?

Sinneserfahrungen lösen Gefühle aus, angenehme oder weniger angenehme. Wenn wir unsere Wahrnehmung verfeinern, lassen sich angenehme Sinneserfahrungen steigern bis zum Genuss. Genießen lässt sich also lernen. So wie der Feinschmecker einen besonders ausgeprägten Geschmackssinn ausgebildet hat, kann unser Hörsinn so verfeinert werden, dass Hören zum Ohrenschmaus wird. Unser Gehör liefert uns Geräusche, Töne, Klänge, Rhythmen, Signale und Sprache, die uns in Kommunikation mit unserer Umwelt treten lassen.

Was und wie viel wir von diesen Sinnesangeboten tatsächlich mitbekommen und verarbeiten, hängt von unserer individuellen Hörwahrnehmungsfähigkeit ab. Diese ist zum einen abhängig von den physiologischen Voraussetzungen unserer Ohren, zum anderen von den Möglichkeiten, diese Reize in unserem Gehirn zu verarbeiten.

Das menschliche Gehirn bringt die Voraussetzung für die Verarbeitung von Sprache und Musik grundsätzlich mit. Darüber hinaus ist es in der Lage, sich in Abhängigkeit vom Gebrauch zu verändern und immer feinere Netzwerke anzulegen, die uns umso differenzierter wahrnehmen lassen. Im Hinblick auf Genuss kommt der Musik natürlich eine besondere Bedeutung zu, denn Musik löst Emotionen aus: Erinnerungen, Gänsehaut, Euphorie, Glücksgefühle, Tränen, Entspannung, Bewegungsdrang, aber auch Aggression.

Intensives Erleben eines Musikstücks und noch mehr aktives Musizieren beschäftigen unser gesamtes Gehirn und vernetzen unsere Zentren für Sprache, Aufmerksamkeit, Emotion und Motorik. Dieser Effekt wird z.B. im professionellen Hörtraining und in der Hörtherapie genutzt. Wenn Beeinträchtigungen beim Hören, sei es z.B. durch auditive Wahrnehmungsstörungen, beginnende Schwerhörigkeit oder Tinnitus, die geliebte Musik zu einem kümmerlichen Erlebnis werden lassen, ist dies eine Möglichkeit, das noch vorhandene Potenzial optimal nutzen zu lernen und damit Musik oder auch Sprache wieder zum genussvollen Erlebnis werden zu lassen.

Auch zur Verbesserung des aktiven Musizierens oder Singens dient ein Hörtraining. Dabei wird mit Hilfe verschiedener Tests zunächst das persönliche Hörprofil analysiert. Darauf abgestimmt wird ein Programm mit hochwertigen Musik- und Stimmaufnahmen erarbeitet und über ein Therapiegerät sowie Spezialkopfhörer bereitgestellt. Die Veränderungen im Hörprofil und begleitende Gespräche geben Aufschluss über den Fortschritt und das weitere Programm. Ein Hörtraining kann neben passiven Phasen, in denen nur gehört wird, auch aktive Teile enthalten, in denen mit der eigenen Stimme oder dem Instrument gearbeitet wird.

Erreicht wird eine verbesserte Analyseleistung in Bezug auf Obertöne, eine gute auditive Differenzierung, eine Angleichung des Zusammenspiels beider Ohren sowie eine bessere Koordination von Mittel- und Innenohr. Hören wird wieder zum Ohrenschmaus.