Schaukeln für die geistige Reife

3.2.2024

2 versteinerte Schnecken die Therapie nach Dr. A. Tomatis symbolisieren

Frage: Was hat der Gleichgewichtssinn mit Lernen zu tun?

Oft wird übersehen, dass der Mensch außer über die fünf Sinne Sehen, Hören, Fühlen, Riechen und Schmecken auch über einen Gleichgewichtssinn verfügt. Dieser nimmt im Zusammenspiel der Sinne eine zentrale Rolle ein. Der Gleichgewichtssinn stellt wichtige Voraussetzungen bereit, auf die der Mensch nicht nur bei der Organisation seiner Aufrichtung und Bewegung, sondern auch beim Lernen angewiesen ist.

Der Gleichgewichtssinn sichert die aufrechte Haltung, die Körperhaltung in unterschiedlichen Bewegungssituationen sowie die Orientierung von Kopf und Körper im Raum. Das wichtigste Gleichgewichtsorgan (Vestibulum) liegt im Innenohr. Mit seiner Hilfe können die Menschen eine Vorstellung von oben und unten, Neigung und Beschleunigung, aber auch Rhythmus entwickeln. Durch seine Verbindung mit den Augenmuskeln kann der Mensch wackelfrei sehen, auch wenn man den Kopf bewegt.

Die Augenbeweglichkeit und Augenmuskelkontrolle, eine wichtige Voraussetzung für das Lesen, und andere präzise Bewegungssteuerungen hängen stark von der Qualität des Gleichgewichtssinns ab.

Ein guter Gleichgewichtssinn ist außerdem für die Entwicklung eines zuverlässigen Körperschemas erforderlich. Das Körperschema ist das erste räumliche Vorstellungsbild, das der Mensch entfaltet und die Grundlage für ein stabiles Ich-Gefühl und Selbstbewusstsein. Durch eine sichere Eigenwahrnehmung schafft man die Voraussetzung für die Wahrnehmung im Außen. So kann man mit der Welt in Beziehung treten.

Erst wenn es eine sichere Vorstellung von der eigenen Lage im Raum gibt, kann der Mensch auch die Raumlage von Gegenständen oder Buchstaben erfassen und z.B. ein b von einem d oder p unterscheiden.

Was man über seinen Körper erfährt und begreift, bildet im Gehirn ein Wissensnetz, in das abstrakte Lerninhalte integrieren werden können.

Vielfältige und wiederholte Bewegungserfahrungen stimulieren den menschlichen Gleichgewichtssinn. Schaukeln, klettern, rutschen, balancieren, Trampolin springen, Hindernisse überwinden, Seil springen, Gummitwist, Fahrrad fahren: All das sind einfache Möglichkeiten, Erfahrungen mit der Schwerkraft, Bewegungssteuerung und Bewegungskontrolle zu machen, Muskelspannung und -Regulation immer wieder zu erfahren und zu üben. All das ist kein Zeitvertreib, sondern notwendige Voraussetzung für körperliche, vor allem aber auch geistige Entwicklung und Reifung. Was hier versäumt wird, muss oft mühsam in Therapiestunden nachgeholt werden.

Kinder brauchen Angebote und Zeiträume, wo sie diese Erfahrungen spontan in einer entspannten, angst- und wettbewerbsfreien Umgebung sammeln können. Statt Leistung, Sieg und Konkurrenz können Körpergefühl und Körperwahrnehmung bei Sport und Bewegung im Vordergrund stehen.

Wer körperlich im Gleichgewicht ist, kann auch sonst besser Balance halten und sich selbst organisieren. Wer in der Bewegung die Richtung ändern kann, kann das auch beim Denken. Differenzierte Sinneswahrnehmung und eine gute Verknüpfung von Sinneserfahrungen erweitern den menschlichen Verhaltensspielraum und die Beweglichkeit, auch im Denken.

Hörtherapie nach Dr. A. Tomatis bietet eine innovative Herangehensweise zur Förderung der Hörverarbeitung und Hörwahrnehmung. Dr. Alfred Tomatis, ein Pionier auf dem Gebiet der Hörtherapie, hat sich intensiv mit der Verbindung zwischen dem Hören und anderen sensorischen Fähigkeiten wie dem Gleichgewichtssinn beschäftigt. Die systemische Hörtherapie betont die Bedeutung einer gut funktionierenden Hörverarbeitung für das Lernen und die kognitive Entwicklung.

Die Therapie nach Dr. A. Tomatis setzt gezielt an den Hörproblemen und Hörstörungen an, um eine verbesserte Hörwahrnehmung zu erreichen. Durch gezieltes Hörtraining werden die Grundlagen für ein stabiles Hörvermögen geschaffen. Die Vielseitigkeit der Hörtherapie spiegelt sich in ihrer Wirkung auf die Gesamtheit der Sinneswahrnehmung wider, und sie kann dazu beitragen, das Gleichgewicht zwischen den verschiedenen sensorischen Funktionen zu fördern.

Insgesamt zeigt sich, dass die systemische Hörtherapie nach Dr. A. Tomatis einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt, der nicht nur die Hörprobleme anspricht, sondern auch die Verbindung zum Gleichgewichtssinn und anderen sensorischen Fähigkeiten berücksichtigt. Eine gut entwickelte Hörverarbeitung ist somit nicht nur für das Hören selbst von Bedeutung, sondern auch für eine umfassende kognitive Entwicklung und das Lernen im Allgemeinen.